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06.08.2024, Roman Paulus

Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht; BGH, Urteil vom 09.01.2024, II ZR 220/22

Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht gelten auch im Anwendungsbereich des Rechtsscheintatbestands des § 15 Abs. 1 HGB

Im Kern geht es um die Anwendung von § 15 Abs. 1 HGB, der den Schutz des Rechtsverkehrs vor der wahren Rechtslage sicherstellt, solange eine eintragungspflichtige Tatsache (wie im zu entscheidenden Fall die Abberufung eines Geschäftsführers) nicht im Handelsregister eingetragen ist.

 

Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt vor, wenn der Geschäftsgegner weiß oder es sich ihm aufdrängen muss, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht missbraucht.

Die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht gelten nach dem BGH auch im Anwendungsbereich des Rechtsscheintatbestands des § 15 Abs. 1 HGB.

Es gelte auch insoweit ein Rechtsschein der fortbestehenden Vertretungsmacht. Der Schutz des Rechtsverkehrs nach § 15 Abs. 1 HGB greift, solange die eintragungspflichtige Tatsache nicht im Handelsregister eingetragen ist. Ausgenommen, es bestand positive Kenntnis von den Umständen, die (noch) nicht im Handelsregister eingetragen waren und auf die sich die Gegenseite beruft.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass positive Kenntnis und grobe Fahrlässigkeit unterschiedliche Rechtswirkungen haben und dem Dritten grundsätzlich keinen Untersuchungspflichten auferlegt werden können, solange der Rechtsschein besteht. Diese Entscheidung ist mit Blick auf die Öffentlichkeitswirkung des Handelsregister nachvollziehbar und konsequent.

Andernfalls würde der öffentliche Glaube des Handelsregisters erschüttert. Das Handelsregister soll Klarheit für Rechtsverhältnisse schaffen, die das Handelsgeschäft betreffen. Dritte dürfen sich daher grundsätzlich auf die Richtigkeit des Handelsregisters verlassen, soweit es um eintragungspflichtige Tatsachen geht (z.B. Erteilung und Widerruf der Prokura, Auflösung einer Gesellschaft, Gesellschafterbestand, Vertretungsmacht der Gesellschafter, Geschäftsübergang). Umgekehrt müssen Dritte die eingetragenen Tatsachen auch gegen sich gelten lassen.

 

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